Fragen zum Lebensrückblick

Harvey M. Chochinov und andere beschrieben die \‘Würdetherapie\‘ (Dignity Therapy). Aus dieser Therapieform stammt dieser Fragenkatalog, der uns helfen kann, gemeinsam mit unserem Gegenüber einen Lebensrückblick zu erstellen.

  • \“Erzählen Sie mir ein wenig aus Ihrem Leben; besonders über die Ereignisse, an die Sie sich am meisten erinnern oder die am wichtigsten in Ihrem Leben waren. Was war Ihre beste Zeit?
  • Gibt es bestimmte Dinge, die Sie Ihrer Familie über sich mitteilen wollen? Gibt es bestimmte Erinnerungen, die Sie mit Ihrer Familie teilen wollen?
  • Was waren die wichtigsten Rollen, die Sie in Ihrem Leben eingenommen haben (familiär, beruflich, gesellschaftlich etc.)? Warum waren Ihnen diese Rollen wichtig und was haben Sie Ihrer Meinung nach darin erreicht?
  • Was waren Ihre wichtigsten Taten, worauf sind Sie besonders stolz?
  • Gibt es Dinge, von denen Sie merken, dass sie noch ausgesprochen werden wollen? Oder auch Dinge, die Sie Ihren Angehörigen gerne noch einmal sagen möchten?
  • Was sind Ihre Hoff nungen und Wünsche für Ihre Angehörigen?
  • Was haben Sie über das Leben gelernt, was Sie gerne anderen weitergeben möchten? Welchen Rat oder welche Lebensweisheiten würden Sie gerne an Ihren … (Sohn, Tochter, Mann, Frau, Eltern etc.) weitergeben?
  • Gibt es Worte / Botschaften oder vielleicht sogar dringende Empfehlungen, die Sie Ihren Angehörigen mitgeben möchten, um ihnen zu helfen, ihre Zukunft gut zu bewältigen?
  • Gibt es andere Dinge, die Ihnen während dieses Gesprächs einfallen und die Thema sein sollten?\“ (Schramm et al 2014)

Eine Weiterentwicklung dieses Fragenkataloges für das Feld der Palliative Care findet sich in dem Konzept des \’Dignity Talk\‘ (Würdegespräch, Guo et al 2018). Dieses Konzept soll Menschen in der Familie und im Freundeskreis helfen, in Würde mit Fragen zum Lebensende umzugehen. Dabei gibt es diese Handlungsanleitungen:

Handlungsanleitungen, Themen und Fragen

\“Bei der Würde geht es vor allem darum, sich als Person geschätzt und verstanden zu fühlen und zu erfahren, was Ihnen in Ihrem Leben wichtig ist oder war. Dignity Talk gibt Ihnen die Möglichkeit, über diese Dinge zu sprechen, in Worte zu fassen, was Sie dabei empfinden, und jemandem zuzuhören, was Sie zu sagen haben.

Dignity Talk ist eine Liste spezieller Fragen, die dazu dienen sollen, Gespräche zu eröffnen. Einige Fragen können mehr Bedeutung haben als andere, und einige können emotionaler sein als andere. Bitte sprechen Sie über so viele oder so wenige dieser Fragen, wie Sie möchten. Einige Gespräche können Sie führen, andere können Sie ganz auslassen. Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten. Die Fragen müssen nicht in einer bestimmten Reihenfolge besprochen werden. Es ist auch völlig in Ordnung, wenn sich das Gespräch in die Länge zieht oder in eine ganz andere Richtung geht. Bitte lassen Sie sich Zeit; machen Sie Pausen, wenn Sie sie brauchen. Die Zeit, die Sie sich für das Dignity Talk nehmen, soll flexibel sein.

Sie können sich dafür entscheiden, die meisten Fragen in einer einzigen Sitzung zu beantworten ODER Sie können sich für kürzere und häufigere Sitzungen entscheiden, die über einen längeren Zeitraum verteilt sind. Diese Gespräche sollen Ihnen Trost spenden. Wenn sie sich zu anspruchsvoll anfühlen, ist es in Ordnung, zu einer anderen Frage überzugehen oder diese Fragen beiseite zu legen. Manche Gespräche können sich leichter anfühlen als andere. Nur weil ein Gespräch vielleicht emotional oder schwierig ist, bedeutet das nicht unbedingt, dass es vermieden werden sollte. Sie kennen sich selbst am besten. Wohin Sie Gespräche führen und welche Bereiche Sie vermeiden wollen, bleibt am besten Ihnen beiden überlassen.

Jede:r von Ihnen kann beschließen, ein Gespräch abzubrechen, wenn Sie sich nicht in der Lage oder nicht willens sehen, weiterzumachen. Was Sie mit den Informationen aus dem Dignity Talk machen, ist ebenfalls sehr persönlich. Wir hoffen, dass die Gespräche und die Erinnerung an die Gespräche für Sie von Nutzen sein werden. Sollten Sie Fragen haben, auf Herausforderungen stoßen, mit einem Berater sprechen wollen oder einfach nur weitere Hilfe beim Dignity Talk wünschen, wenden Sie sich bitte an Ihre medizinischen Betreuer.

ERINNERUNGEN

  • Wenn Du auf Dein Leben zurückblickst, gibt es da besondere Erinnerungen oder Momente, über die wir vielleicht sprechen sollten?

ÜBER DICH SELBST

  • Gibt es Dinge über Dich, über die wir sprechen sollten?

BESONDERE ROLLEN

  • Gibt es besondere oder wichtige Rollen in Deinem Leben, über die Du sprechen möchtest? (Was hat diese Rollen besonders gemacht? Auf welche dieser Rollen bist Du stolz?)

WAS WIR EINANDER BEDEUTEN

  • Würdest Du gerne darüber sprechen, was wir einander bedeuten oder bedeutet haben?

REUE

  • Würdest Du gerne über Reue sprechen?

VERGEBUNG

  • Wie steht es mit der Vergebung? Gibt es Dinge, die Du vergeben möchtest oder für die Du Vergebung wünschst?

DANKBARKEIT

  • Würdest Du gerne über Dinge sprechen, für die wir dankbar sind?

HOFFNUNGEN UND TRÄUME

  • Möchtest Du, dass wir über Hoffnungen und Träume für Menschen sprechen, die uns wichtig sind? (Familie, Freunde, andere?)

WAS WIR GELERNT HABEN

  • Möchtest Du über die Dinge sprechen, die das Leben uns gelehrt hat, oder vielleicht darüber, was wir einander gelehrt haben?

RATSCHLÄGE

  • Gibt es Ratschläge, die Du besonderen Menschen in unserem Leben geben möchtest? (Familie, Freunde, andere?)

MEHR ZU BESPRECHEN

  • Gibt es Dinge, die wir noch miteinander besprechen wollen oder müssen?

MEHR ZU SAGEN

  • Gibt es Dinge, die wir uns noch sagen wollen oder müssen?\“

(Guo et al 2018, übersetzt, gekürzt)

Das Ziel eines Gespräches am Lebensende sollte nicht die Missionierung sein. Vielmehr vermag es den Betroffenen dazu helfen, eigene Werte, Ziele oder Erkenntnisse zu finden. Hierbei ist es ungemein hilfreich, eine Person vor sich zu haben, die mit offenem Herzen und Interesse zuhört. \“Im Lebensrückblick begegnen uns auch Brüche, Versäumtes, Nicht-Gelungenes. Dies zu relativieren oder gar wegzutrösten, ist oberflächlich und in aller Regel erfolglos. Wir helfen Patient*innen eher dadurch, dass wir auch das Schwierige eines Lebens respektvoll stehenlassen und uns ohne Tröstungsabsicht nachfragend interessieren.\“ (Lang 2022)

Nach oben scrollen