\“Dem Konzept der Menschenwürde liegt die (philosophische) Überzeugung zu Grunde, dass jeder Mensch einen (immanenten) Wert darstellt, der bei allen Menschen (unabhängig von z. B. Geschlecht, Alter, Nationalität, kultureller Zugehörigkeit, sozialer Schicht, Gesundheit/Krankheit/Behinderung) gleich groß ist. Menschenwurde begründet also die Gleichheit aller Menschen und ist damit Ursache und Quelle der allen Menschen gleichermaßen zukommenden Menschenrechte. Die Menschenwürde stellt einen absoluten Wert dar, der also nicht aberkannt, fortgenommen oder geteilt und verkleinert werden kann (Grundgesetz, Art. 1: ≫Die Würde des Menschen ist unantastbar.≪). Ein Mensch kann verletzt, gefoltert oder misshandelt werden, aber niemand kann ihm die Würde nehmen.\“ (Thöns/Sitte 2013:227)
Würde und Scham
\“Scham ist eine schmerzhafte, oft übersehene Emotion, die in jeder Arbeit mit Menschen akut werden kann, zum Beispiel:
- in der sozialen Arbeit und Seelsorge, wenn Menschen sich ihrer Arbeitslosigkeit oder Armut schämen,
- in der psychologischen Beratung oder Therapie, wenn Klienten sich ihrer psychischen Probleme schämen oder dafür, dass sie missbraucht wurden,
- in der Schule, wenn Schüler mit einer Aufgabe gescheitert sind oder wenn sie von Mitschülern gehänselt, bloßgestellt oder ausgegrenzt werden,
- in der interkulturellen Kommunikation, wenn unterschiedliche Auffassungen von Intimität, Schande und Ehre aufeinanderprallen,
- für Führungskräfte, wenn es darum geht, Fehler zu benennen oder wenn Mitarbeiter gemobbt werden.
Unerkannte Schamgefühle können zu Kontaktabbruch, Depression, Burnout, Sucht oder Suizid führen – oder in Zynismus, Trotz oder Wut umschlagen, wodurch das Klima einer Einrichtung, Schule oder eines Betriebs vergiftet wird.
Daher ist es für alle, die mit Menschen arbeiten, wichtig, Scham zu erkennen und konstruktiv mit ihr umgehen zu können. Denn Scham ist zwar schmerzhaft, hat aber auch positive Aufgaben: Sie ist, so Leon Wurmser, \“die Wächterin der Menschenwürde\“.\“ (Stephan Marks)